By Georg Weindl
May 8, 2015
Es gab einmal eine Zeit vor gefühlten hundert Jahren, da hatten die Menschen hierzulande etwas, was sich heute keiner mehr vorstellen kann: eine große Leidenschaft fürs Fliegen. Es war die teuerste und luxuriöseste Art, um die Welt zu reisen. Selbst ein Flug von Wien an die Adria hatte etwas Exotisches und verschlang locker ein halbes Monatsgehalt.
Die Piloten in ihren dunklen Uniformen und den sportlichen Sonnenbrillen genossen einen Starkult, wie ihn heute nur noch die Fußballer von Real Madrid erreichen. Stewardessen mit ihren eleganten Kostümen und dieser polyglotten Souveränität waren Traumfrauen, die die Pools der Fünfsternehotels von Fidschi bis Fuerteventura so gut kannten wie wir zu Hause die Schwimmbäder im Bezirk.
In Zeiten, in denen das Fliegen den Charme einer Legebatterie hat oder als Luxusvariante unbezahlbar teuer ist, ist doch noch Platz für eine Geschäftsidee, dachte sich ein Geschäftsmann aus Los Angeles. Taalat Captan ist Gründer eines auf Airline-Themen spezialisierten Filmstudios in Los Angeles mit dem passenden Namen Air Hollywood. Im vergangenen Herbst eröffnete er in seinem Studio eine Location für Leute, die gern fliegen – ohne zu fliegen. Und das im Stil einer durch und durch amerikanischen Zeitreise. Pan Am Experience ist der Titel dieses kuriosen Flugerlebnisses. Und dass die gute alte Pan Am, die einstige Vorzeige-Airline der Amerikaner, die schon 1927 gegründet wurde, in ihren Glanzzeiten um die ganze Welt flog und 1991 mangels Masse in die ewigen Jagdgründe einging, die Kulisse bildet, passt auch gut zur Nostalgie.
Der vermeintliche Jumbojet steht auf dem Studiogelände und ist dem legendären Clipper Juan T. Trippe nachempfunden, der 1970 der zweite Jumbojet war, der gebaut und der erste, der kommerziell genutzt wurde. Unterstützt wurde Captan von Anthony Toth, einem Pan-Am-Nostalgiker, der viele Accessoires für die nachgebaute 747 lieferte. Das Ergebnis sieht ziemlich realistisch aus. Vor dem Zustieg verteilt der Pan Am Service Agent die originalgetreu gestalteten Bordkarten. Freundliche Stewardessen in originalen Kostümen empfangen die Passagiere und bringen sie zu ihren bequemen Sitzplätzen. Je nach Ticket sind das die Sleeperette-Sitze im Main Deck oder rundliche Drehsessel im Upper Deck Dining Room. Ein erstes Glas Champagner wird serviert, dazu gibt’s Frank-Sinatra-Sound. Wie es sich gehört, präsentieren die Pan-Am-Damen die Safety Instructions. Dann folgt eine Durchsage vom Captain, bevor das Viergangmenü mit Shrimpscocktail und Chateaubriand, frischem Obst, Portwein und einer Dessertauswahl startet. Alles ist so, wie es in den guten alten Pan-Am-Zeiten war – das Menü, das China-Porzellan, die Trinkgläser. Danach gibt’s Tee und Kaffee, bevor die Passagiere in ihren originalen Pan-Am-Sitzen von fernen Stränden träumen können. Die einen werden ein Verdauungsschläfchen einlegen. Andere können sich mit einem Hollywood-Klassiker wie „Wall Street“ oder „Airplane!“ unterhalten. Vielleicht noch ein Kaffee oder ein Cocktail? Die Stewardessen servieren flink und mit einem bezaubernden Lächelns.
300 Euro kostet der vierstündige Ausflug mit Air Hollywood. Dafür könnte man auch echte Flüge bezahlen. Trotzdem ist Pan Am Experience ein Renner. Die 32 Plätze sind bis weit in den Herbst ausgebucht. „Wir haben meistens Gruppen, die unseren Jumbo für sich ganz allein haben wollen“, sagt Talaat Captan. Unter den Kunden sind viele ehemalige Pan-Am-Mitarbeiter. Besonders bewegt hat den Air-Hollywood-Chef eine Frau aus Chicago, die unbedingt Plätze buchen wollte, weil vor Kurzem ihre Mutter gestorben war, die viele Jahre bei Pan Am als Stewardess arbeitete. „Als die Frau dann den Air Hollywood Clipper betrat“, erzählt Talaat, „sah sie in der Dekoration ein altes Poster, auf dem ihre Mutter abgebildet war, und brach in Tränen aus.“